Rechtswissenschaft

Rechtswissenschaft

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Rẹchts|wis|sen|schaft 〈f. 20; unz.〉 Lehre von den Gesetzen u. ihrer Anwendung sowie Rechtsgeschichte, -philosophie, -soziologie u. a.; Sy Jurisprudenz

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Rẹchts|wis|sen|schaft, die:
Wissenschaft vom Recht, seinen Erscheinungsformen u. seiner Anwendung; Jura, Jurisprudenz.

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Rechtswissenschaft,
 
Jurisprudẹnz, die Wissenschaft vom Recht. Sie steht in Beziehung zu den übrigen Geistes- und Sozialwissenschaften. Sie greift in zunehmendem Maße auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse zurück (besonders auf Medizin, Psychologie und Biologie). Die Rechtswissenschaft umfasst Rechtsphilosophie, -geschichte, -soziologie, -theorie, -ethnologie, -dogmatik, -politik, -vergleichung und -informatik. Praktisches Kernstück der Rechtswissenschaft ist die Rechtsdogmatik, das heißt die Erkenntnis, Auslegung und Fortbildung des geltenden Rechts, die sowohl durch Gerichtsurteile als auch durch wissenschaftliche Veröffentlichungen erfolgt. Im Zentrum der Rechtspolitik steht dagegen die Frage, welche politischen Ziele mit der Rechtsdogmatik verfolgt werden sollen. Die Rechtssoziologie befasst sich mit der Wechselbeziehung von Recht und Gesellschaft (sozialer Wirklichkeit). Im Vordergrund der Rechtstheorie stehen die analytische Beschreibung von Recht und Gesellschaft in ihrer logischen Struktur und die Methodik der Gewinnung rechtlichen Erkenntnisse. Die Rechtsethnologie erforscht Entwicklung, Aufgaben und Ordnung der Rechts außereuropäischer, nicht industrieller Gesellschaften. Die Rechtsinformatik beschäftigt sich mit den besonderen Rechtsproblemen, die durch den Einsatz moderner Informationstechnologien in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft entstehen.
 
 
Im europäischen Raum erlebte die Rechtswissenschaft während des Römischen Reichs eine erste Blüte, die im »Corpus Iuris Civilis« einen Höhepunkt erreichte. Nachdem diese Tradition im Frühmittelalter besonders im Gebiet des ehemaligen Weströmischen Reichs in Vergessenheit geraten und von den einzelnen Stammesrechten überlagert war, erfolgte ab Ende des 11. Jahrhunderts von Bologna ausgehend durch die Glossatoren und Kommentatoren eine Wiederaneignung und Weiterführung, die sich - mit Ausnahme Englands - über den ganzen Kontinent ausbreitete. Da Deutschland im Spätmittelalter in zahllose lokale Sonderrechtsordnungen zerklüftet war, war hier die Rezeption besonders stark. Die im Gedankengut des Humanismus wurzelnde elegante Jurisprudenz (U. Zasius) wurde im 17. und 18. Jahrhundert durch die gemeinrechtliche Jurisprudenz, besonders die Schule der Praktiker (B. Carpzov), abgelöst. Gegen das im 18. Jahrhundert blühende Vernunftrecht (C. Wolff) wandte sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts die historische Rechtsschule (F. C. von Savigny). Begriffsjurisprudenz und Rechtspositivismus schlossen sich an, die aber ab der Wende zum 20. Jahrhundert ihrerseits durch Freirechtsschule (Eugen Ehrlich, * 1862, ✝ 1922), soziologische Jurisprudenz und Interessenjurisprudenz (Philipp Heck) bekämpft wurden. Aus Letzterer entwickelte sich die im deutschsprachigen Raum - besonders für das Zivilrecht - häufig vertretene Wertungsjurisprudenz (K. Larenz, Franz Bydlinski, * 1931), die die im gesetzten Recht und hilfsweise aus anderen Quellen (Gesellschaft, Wertung des Richters, Erkenntnis überzeitlicher Werte) gewonnenen Wertungen und Prinzipien bei der Rechtsanwendung berücksichtigen will. Dabei handelt es sich um eine Position, die eng mit der juristischen Hermeneutik verbunden ist, die die Momente von Auslegung und Verstehen der Gesetze bei der Rechtsfindung gegenüber der schöpferischen Tätigkeit des Richters betont. Demgegenüber misst die Topik (Theodor Viehweg, * 1907, ✝ 1989) der Heranziehung der relevanten Gesichtspunkte im Einzelfall entscheidendes Gewicht bei. Daneben sind argumentationstheoretische oder - in Anlehnung an das angelsächsische Case-Law - fallrechtliche Methodenlehren getreten. Trotz dieser Pluralität der Methodologien finden die schon bei Savigny angeführten Auslegungsmethoden der grammatischen, historischen, logisch-systematischen und teleologischen Gesetzesinterpretation insbesondere bei Praktikern weiterhin breite Anerkennung und Verwendung, sodass man von einem Methodenkanon (freilich ohne Rangfolge) sprechen kann.
 
 
T. Viehweg: Topik u. Jurisprudenz (51974);
 W. Fikentscher: Methoden des Rechts, 5 Bde. (1975-77);
 G. Radbruch: Einf. in die R. (131980);
 J. Baumann: Einf. in die R. (81989);
 G. Kleinheyer u. J. Schröder: Dt. Juristen aus 5 Jh. (31989);
 O. Weinberger: Rechtslogik (21989);
 F. Bydlinski: Jurist. Methodenlehre u. Rechtsbegriff (Wien 21991);
 K. Larenz: Methodenlehre der R. (61991);
 
R. der Bonner Republik, hg. v. D. Simon (1994).
 Zeitschriften:
 
Archiv für die civilist. Praxis (1818 ff.); Ztschr. für schweizer. Recht (Basel 1852 ff.); Ztschr. des Bernischen Juristenvereins (Bern 1864 ff.); Jurist. Blätter (Wien 1872 ff.); Schweizer. Juristenzeitung (Zürich 1904 ff.); Juristenzeitung (1946 ff.); Österr. Juristen-Zeitung (Wien 1946 ff.); Monatsschr. für Dt. Recht (1947 ff.); Neue Jurist. Wochenschr. (1947 ff., früher unter anderem Titel); Ztschr. für Rechtspolitik (1968 ff.); Recht. Ztschr. für jurist. Ausbildung u. Praxis (1983 ff.).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
römisches Recht als europäisches Erbe
 

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Rẹchts|wis|sen|schaft, die <o. Pl.>: Wissenschaft vom Recht, seinen Erscheinungsformen u. seiner Anwendung; Jura, Jurisprudenz.

Universal-Lexikon. 2012.

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Synonyme:

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